Napier und Wellington: Wein und Wind
Auf Reisen läuft es oft anders als geplant. Ein passendes Motto für den Verlauf unserer Reise auf der Nordinsel. Schon am Lake Taupo hatte der Wind in den letzten Tagen ständig zugenommen. Die Berge waren in Wolken gehüllt und die Schneefallgrenze fiel auf 1000m. In der I-SITE, dem Touristen-Informationszentrum, erfuhren wir, dass vor wenigen Tagen eine Touristin auf unserer geplanten Wanderung, dem Tongariro Alpine Crossing, verstorben ist und die Route seitdem gesperrt ist. Da wir mit Baby nicht auf eine alpine Wanderung unter schlechten Bedingungen im Schnee aus waren, änderten wir unseren Reiseplan und fuhren statt nach Westen in den sonnigen Osten, nach Napier.
Der Weg dorthin war malerisch: Es ging durch Berge und Täler sowie Wälder und Weinanbaugebiete. Napier liegt am Meer in der sogenannten Hawke‘s Bay und wurde 1931 durch ein schweres Erdbeben nahezu vollständig zerstört. Erdbeben sind hier und insgesamt in Neuseeland häufig mit bis zu 55 Erdbeben pro Tag, da sich in Neuseeland die pazifische Platte unter die australische Platte schiebt. Glücklicherweise ist die Zahl schwerer Erdbeben viel seltener. Die Stadt wurde nach dem schweren Erdbeben im Art-déco-Stil wiederaufgebaut und ist durchaus sehenswert. Sie hat alte, flache Häuser im Stadtzentrum, in deren Erdgeschoss nun moderne Geschäfte sind. Besonders gut haben uns die kleinen Künstlerläden gefallen oder auch der Second-Hand Buchladen, der auch noch Süßigkeiten verkaufte :-).
Eingebettet liegt die Stadt in dem zweitgrößten Weinanbaugebiet Neuseelands. Wir nutzten die Chance am Meer zu übernachten und uns zwei verschiedene Weingüter anzuschauen inklusive kleiner Weinprobe. Hier wird der Wein, anders als wir es kennen, nur in der Ebene angebaut und nicht auf den Hängen. Die Mission Estate Winery hat uns nicht zuletzt wegen dem imposanten Gebäude gut gefallen. Auf Empfehlung der I-SITE fuhren wir danach zu einem Café mit wunderschönem Garten und einer Ausstellung äthopischer Kunst. Für uns eine perfekte Gelegenheit bei köstlichem Essen zu entspannen. Micha aß hier den wahrscheinlich leckersten Burger seines Lebens mit super zarten Kalbsbäckchen als Fleisch. Jonathan genoss das Krabbeln auf der Wiese und die Bekanntschaft mit anderen Kindern.
Von Napier sind wir direkt nach Wellington, der Hauptstadt Neuseelands, gefahren. Nach einem Gespräch mit unseren einheimischen Camper-Nachbarn erfuhren wir, dass ein Nationalfeiertag vor der Tür stand und wir etwas vorsichtig sein sollten bezüglich voller Campingplätze. Unser Plan war außerhalb von Wellington zu parken und mit dem Zug rein zu fahren. Nachdem wir anfangs ziemlich gut durchgekommen waren, entschieden wir uns spontan um und versuchten unser Glück an einem Freedom Camping-Zeltplatz in der Stadt an einem kleinen Hafen und hatten super Glück gegen 16.30 einen der letzten Plätze zu ergattern.
Wellington hat nur 190.000 Einwohner und liegt windexponiert an der Cookstrasse zwischen Nord- und Südinsel. Wahrzeichen der Stadt ist die Drahtseilbahn zum botanischen Garten. Wir nutzten das perfekte Sonnenwetter, um das kleine Stadtzentrum zu erkunden. Die Uferpromenade ist dabei besonders sehenswert mit viel Kunst und malerischer Gestaltung. Die Hochhäuser und die amerikanisch geprägten Geschäfte sind eher nicht so spannend. Begeistert war Micha auch von den vielen liebevoll gestalteten Cafés der Stadt.
Tags drauf machte die Stadt ihrem Beinamen „windige Stadt“ alle Ehre. Wir nutzen den Tag, um ausgiebig das Te-Papa-Museum (Wellingtons Nationalmuseum) zu erkunden. Ein gigantisches und kostenloses Museum, dass sich insbesondere auf die Geschichte Neuseelands fokussiert, aber auch moderne Kunst entfällt. Das Museum ist überaus interaktiv gestaltet und sicherlich Pflichtprogramm in Wellington. Die indoor-Spielplätze machten es uns möglich, dass wir auch mal abwechselnd ohne Jonathan auf Erkundungstour gehen konnten.
Die ganze Nacht wurde unser Wohnmobil vom Wind durchgeschüttelt und insbesondere Micha machte sich Sorgen über die Überfahrt zur Südinsel am nächsten Tag, die trotz 3,5 Stunden Dauer schon ziemlich ungemütlich werden kann. Unsere Nachbarn machten uns allerdings Hoffnung, dass sich das Wetter nach dem starken Wind am nächsten Tag beruhigt. So war es dann glücklicherweise auch und am nächsten Morgen war der Himmel wieder blau und die See ruhig.
Wir verabschiedeten uns nach 3,5 Wochen und knapp 2000 Kilometern von der Nordinsel. Auch wenn wir den Reiseplan aufgrund des Wetters ziemlich verändert haben, gab es viele schöne Tage. Beeindruckend war für uns die Vielseitigkeit der Insel. So hatten wir oft das Gefühl ganz viele kleine Urlaube zu haben. Unterschätzen darf man die Entfernungen allerdings nicht, da aufgrund der engen, kurvigen Straßen die Reise oft länger dauerte (NZ Roads are different). Auch an das Reisen mit Baby mussten wir uns zunächst gewöhnen und natürlich Jonathan auch an sein neues Zuhause. Wir freuen uns jetzt auf das Abenteuer Südinsel!